Birdman oder (Die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)

von

Raffiniert erzählte Geschichte eines Superhelden-Darstellers, der ein Raymond-Carver-Stück am Broadway inszenieren will.

In BIRDMAN erhofft sich Riggan Thomson durch seine Inszenierung eines ambitionierten neuen Theaterstücks am Broadway vor allem eine Wiederbelebung seiner dahinsiechenden Karriere. Zwar handelt es sich um ein ausgesprochen tollkühnes Unterfangen – doch der frühere Kino-Superheld hegt größte Hoffnungen, dass dieses kreative Wagnis ihn als Künstler legitimiert und jedermann, auch ihm selbst, beweist, dass er kein abgehalfterter Hollywood-Star ist.
Doch während die Premiere des Stücks unaufhaltsam näher rückt, wird Riggans Hauptdarsteller durch einen verrückten Unfall bei den Proben verletzt und muss schnell ersetzt werden. Auf den Vorschlag von Hauptdarstellerin Lesley und auf das Drängen seines besten Freundes und Produzenten Jake hin engagiert Riggan widerwillig Mike Shiner – ein unberechenbarer Typ, aber eine Garantie für viele Ticketverkäufe und begeisterte Kritiken. Bei der Vorbereitung auf sein Bühnendebüt muss er sich nicht nur mit seiner Freundin, Co-Star Laura, und seiner frisch aus der Entzugsklinik kommenden Tochter und Assistentin Sam auseinandersetzen, sondern auch mit seiner Ex-Gattin Sylvia, die gelegentlich vorbeischaut, um die Dinge in ihrem Sinn zu richten.
Zwischen Tragödie, Künstlerdrama, beißender Satire und schwarzer Komödie pendelt der neue Film des renommierten mexikanischen Filmemachers Alejandro González Iñárritu. Sein »Birdman« ist auch Milieustudie des Theaters und Films und (über)zeichnet das psychologische Profil eines Künstlers. Er heißt Riggan Thomson und war ehemals als »Birdman« im Kino erfolgreich. Batman-Darsteller Michael Keaton spielt ihn. Das ist nur einer der zahlreichen Bezüge zwischen Fiktion und Realität, von denen der Film lebt und die er virtuos verwebt.
Faszinierend und unglaublich elegant inszeniert sind die nahtlosen Übergänge, von der Probe zur Aufführung, von der Fiktion des Stücks zur Realität der Spielenden, die auch nur eine Realität in Anführungsstrichen ist, macht sich doch jede/r etwas vor. Kameramann Emmanuel Lubezki gelingen nicht nur hier auf der Bühne, in den Gängen, Umkleideräumen des Theaters fließende Kamerafahrten und starke Bilder, sondern auch vom neonbeleuchteten belebten New York. Die Streitgespräche aus »What We Talk About When We Talk About Love«, so der Titel der Carver-Story, die Riggan inszeniert, werden in Konfrontationen und Beziehungsscharmützeln der Schauspieler untereinander weitergeführt, Theatereffekte und Superhelden-VFX brechen die reale Handlung. Eine genaue Grenze zwischen Fiktion und Nicht-Fiktion lässt sich nicht immer ziehen, was wohl auch dem Wunsch des Regisseurs entspricht. Ein ungewöhnlicher Score, moderne Schlagzeug-Stücke – manchmal ist der Schlagzeuger als Verfremdungseffekt im Bild –, aber auch hochdramatische, einschlägige Filmmusik ist dem Film unterlegt, der nicht nur fasziniert, sondern auch oft mit schrägen Einfällen überrascht.

Regiestatement
Ich liebe jene schwankenden, unsicheren Charaktere, die von inneren Zweifeln und Widersprüchen angetrieben werden … mit anderen Worten, die so sind wie jeder, den ich kenne. Riggans Entscheidungen haben sich als schlecht erwiesen, und das betrifft vor allem die Menschen, die ihm nahestehen. Während seines ganzen Lebens hat Riggan Liebe mit Bewunderung verwechselt. Und als er schließlich die Belanglosigkeit des Letzteren erkennt, muss er auf schmerzhafte Weise lernen, sich selbst und die anderen zu lieben.

Filmografie // Alejandro González Iñárritu
(Regie, Auswahl)
2000 AMORES PERROS
2003 21 GRAMS
2006 BABEL
2010 BIUTIFUL
2014 BIRDMAN (ODER DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT)

Spielzeiten und Tickets

Derzeit keine Termine.

US 2014, 119 min,  , R: , B: Alejandro González Iñárritu, K: Emmanuel Lubezki, S: , D: Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton, Amy Ryan, Emma Stone, Naomi Watts